Ökonomische Analysen spielen eine zunehmend bedeutendere Rolle in der deutschen und europäischen Fusionskontrolle. Während ökonomische Testverfahren auf europäischer Ebene lange etabliert sind, ist in den letzten Jahren auch in Deutschland die Bedeutung ökonomischer Analysen gestiegen. Mit der Einführung des SIEC-Tests in der deutschen Fusionskontrolle ist zu erwarten, dass sie weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Bei den engen Fristen von Fusionskontrollverfahren kommt es entscheidend auf eine frühzeitige Identifikation kritischer Wettbewerbsfragen bereits vor der Anmeldung eines Zusammenschlusses an. Dabei können die sogenannten „Prenotification Talks” mit den Wettbewerbsbehörden eine wichtige Rolle spielen, um bereits im Vorfeld einer Anmeldung kartellbehördliche Bedenken zu identifizieren. Hier steht in der Regel eine spezifisch wettbewerbsökonomische „Theory of Harm” im Zentrum, der in den Markttests der Behörden nachgegangen wird.
Eine effiziente wettbewerbsökonomische Begleitung setzt sich frühzeitig mit erkennbaren Wettbewerbsbedenken auseinander und prüft diese auf ihre praktische Relevanz. So können behördliche Bedenken noch vor der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens erkannt und – sofern notwendig – geeignete Abhilfemaßnahmen vorgeschlagen werden.
Neben der sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung gewinnt die direkte Analyse unilateraler und koordinierter Preiseffekte zunehmend an Bedeutung. Dabei halten derzeit auch neuere indikatorgestützte Ansätze wie der „Upward Pricing Pressure Test” (UPP) Einzug in die ökonomische Analyse. Aber auch die Wahrscheinlichkeit von Foreclosure-Strategien im Rahmen vertikaler Zusammenschlussvorhaben kann eine wichtige Fragestellung sein, die mit ökonomischen Methoden zu beantworten ist.
Marktabgrenzungen sind ein wichtiger Startpunkt in Zusammenschlusskontrollverfahren. Sie bilden den Rahmen für tiefer gehende Analysen zu den Effekten einer Fusion. Nach dem heutigen Teststandard - dem Test auf monopolistische Preissetzungsspielräume (SSNIP = small but significant non-transitory increase in prices) - sind dazu die Ausweichreaktionen der Marktgegenseite auf dauerhafte Preiserhöhungen von fünf bis zehn Prozent maßgeblich; dieser von der EU-Kommission als Gedankenexperiment durchgeführter Test erfordert eine belastbare Schätzung der Eigenpreiselastizität.
In zahlreichen Fällen haben wir je nach den spezifischen Erfordernissen unterschiedliche Marktabgrenzungsmethoden erfolgreich eingesetzt, so etwa:
- SSNIP-Tests auf Basis von echten Transaktionsdaten oder von Befragungsexperimenten
- Preiskorrelationsanalysen
- Critical-Loss-Analysen (SSNIP-Test)
- Shipment-Tests
Eine zentrale Frage in Fusionskontrollverfahren sind unter Umständen zu erwartende Preissteigerungen („Upward PricingPressure”) als Folge des Zusammenschlusses. Hierbei spielen die wettbewerbliche Nähe der fusionierenden Parteien sowie die mögliche Existenz von „Mavericks“ („Marktrebellen“) in einem Markt eine große Rolle. Eine Reihe ökonomischer Indikatoren und Testansätze erlaubt uns, diese Effekte abzuschätzen. Dabei werden auch Effizienzeffekte, die aus dem Zusammenschluss resultieren und preissetzungsrelevant sind, untersucht und gegebenenfalls in die Analyse miteinbezogen. Wir verfügen über das hierfür notwendige breite methodische Know-how, indem wir fallspezifisch unter anderem folgende Verfahren einsetzen:
- Diversion Ratios
- Preissetzung – Hedonic Price Regressions
- Upward-Pricing-Pressure-Indizes
- Merger Simulation
- Analyse von Bieterverhalten
Die Gefahr einer erhöhten Kollusionswahrscheinlichkeit ist eine häufig theoretisch leicht aufzustellende Schadenstheorie. Derartige dynamische Effekte setzen insbesondere eine sorgfältige Analyse der absehbaren Wettbewerbsdynamik in einer Branche voraus.
Koordinierte Effekte auf ihre faktische Bedeutung und Eintrittswahrscheinlichkeit zu prüfen, kann dagegen sehr schwierig sein – unsere umfangreichen Markterfahrungen und die Anwendung der jeweils relevanten ökonomischen Theorien ermöglichen uns hier jedoch belastbare Analysen. Dadurch können wir die Validität solcher Wettbewerbsbedenken in unterschiedlichsten Fallkonstellationen zuverlässig prüfen.
Nicht-horizontale Schadenstheorien, wie etwa Marktabschottungen, sind häufig zunächst theoretisch inspirierte Befürchtungen, deren praktische Relevanz jeweils zu prüfen ist. So können sich theoretische Marktabschottungspotenziale als praktisch irrelevant erweisen, wenn klar gezeigt werden kann, dass derartige Strategien für die Fusionspartner unprofitabel wären. Dies kann etwa im Rahmen von Marktsimulationen geprüft werden.
Häufig können geeignete Abhilfemaßnahmen etwaige Bedenken von Wettbewerbsbehörden auflösen. Mit Hilfe ökonomischer Analysen können diese Maßnahmen präzise identifiziert und damit die Auflagen im Rahmen eines Zusammenschlussverfahrens auf ein notwendiges Maß minimiert werden.